Die Idee

Impressionen aus miam-Konzerten

Um gross und stark zu werden, braucht das Kind Beziehung, es braucht Vertrauen, Anregung und Orientierung, und dies alles innerhalb einer Situation der Geborgenheit und des Kontakts.

Dies bieten die miam Konzerte – auf dass die Ohren aufgehen!

Mit ihren Konzerten für die Kleinsten bietet das «miam-ensemble» eine musikalische Erfahrung als Anregung der Sinne und als Orientierung in der Welt; dies in einer Situation, die Beziehung fördert: Beziehung zu den Eltern, welche diese Erfahrung teilen und den nötigen Schutz bieten, Beziehung zu anderen Kindern aus verschiedenen sozialen und kulturellen Schichten und Beziehung zu Musikern und Musikerinnen, die für sie spielen.

Die Musiker und Musikerinnen stellen sich in einem Kreis um die Kinder, die auf einem roten Teppich sitzend auf die Musik reagieren dürfen – lauschend auf dem Schoss des Vaters, um die Mutter tänzelnd, mitplärrend und singend.

Im frühesten Alter sind die Kinder besonders bereit, Musik neugierig und unvoreingenommen in sich aufzunehmen. Sie lernen Musik wie die eigene Muttersprache und entwickeln dabei ihre individuelle musikalische Begabung. In den «miam»-Konzerten werden sie kurze, abwechslungsreiche Stücke aus Klassik, Folk und Jazz hören, die Freude machen, ihre Sinne wecken und nebenbei ihre Wahrnehmung bilden.

“Die Fähigkeit, Musik zu verstehen, ist keine Begabung, die nur einigen vorbehalten ist: Alle Menschen besitzen sie.”
Edwin E. Gordon

Die Music Learning Theory
Die Theorie über das Lernen von Musik (Music Learning Theory) wurde von Edwin E. Gordon (South Carolina University, USA) entwickelt. Sie gründet auf fast 50 Jahren Beobachtung und Forschung. Sie beschreibt, wie ein Kind von den ersten Lebenswochen an Musik lernt. Es sind die gleichen Prozesse wie beim Lernen der Muttersprache. Von der Geburt an erlebt das Kind die Sprache seiner Eltern. Schon bald entwickelt es mit ersten Nachahmungsversuchen einen eigenen Wortschatz. Erst beim Schuleintritt wird es diese Sprache auch lesen und schreiben lernen. Der gleiche Prozess gilt auch für die Musik. Das Kind, das von klein auf in Musik eingetaucht ist, bekommt die Chance, seinen eigenen musikalischen Wortschatz zu bilden, zunächst hörend, später auch singend. In den ersten Kursen von “musik lernen” (0-36 Monaten) werden die Kinder mit Liedern ohne Worte, eben mit dieser Musikwelt vertraut gemacht. Im Verlauf des Kurses greifen sie zuerst mit spontanen, später mit immer bewussteren kleinen Antworten ins Geschehen ein. Im Alter von 3-5 Jahren nehmen sie ohne Begleitung der Bezugspersonen an den weiterführenden Kursen teil. Mit ihrer Stimme und dem erlernten musikalischen Wortschatz werden sie in einen Dialog mit den Erwachsenen und den andern Kindern treten. Während der Primarschulzeit lernen sie dann auch das ABC der Musik, das heisst das Lesen und Schreiben von Noten. Sie verstehen die wesentlichen Elemente der Musik, singen rein und führen rhythmische Motive richtig aus. Sie haben die Grundlagen erworben, um erfolgreich ein Instrument spielen zu lernen oder in einem Chor zu singen und zu improvisieren.

Warum Musik?
Die Musik als Kunstform ist für den Menschen seit jeher und in allen Kulturen und Epochen ein wertvolles Ausdrucksmittel. Mit der Musik nährt das Kind seine Fantasie und seine Kreativität; es entwickelt damit seinen Blick nach innen, sein Verständnis und seine Empathie für sich, für die andern und für das Leben. Durch diese Erziehung wird die Musik zu einem wesentlichen Teil seines Ausdrucks und seiner Kommunikation.

Es geht keineswegs darum, musikalische Hochbegabungen zu entdecken und zu fördern, sondern in erster Linie darum, durch Musik mit dem Kind in Beziehung zu treten. Die Musik wird ihm ermöglichen, mit anderen zu kommunizieren und sie wird ihm zur Quelle der Freude werden ob als bewusster Hörer, genussvoller Amateur oder als professionelle Musikerin.

Die kulturelle Entwicklung einer Gesellschaft hängt davon ab, wie viele Menschen sich künstlerisch ausdrücken können und nicht wie viele Heifetz, Perlman oder Toscaninis gefeiert werden. Es ist deshalb wichtig, Generationen heranzubilden, die Musik hören und verstehen, die mit Musik kommunizieren, die in ihren Familien und im Freundeskreis singen, spielen und improvisieren können. (Riccardo Nardozzi Music Learning Theory für Eltern und Fachpersonen im Erziehungswesen)

Begabung und Musikalität: Können wirklich alle Menschen Musik machen und verstehen?
Wir werden alle mit einer gewissen musikalischen Begabung geboren. Gordon nennt es „die Bereitschaft, Musik zu lernen“. Diese Bereitschaft ist bei der Geburt am höchsten und entwickelt sich in einer Umgebung voller musikalischer Anregungen in den ersten 9 Lebensjahren. Danach stabilisiert sie sich. Die Lernbereitschaft eines Kindes ist am Anfang seines Lebens am grössten. Ihm zu diesem Zeitpunkt einen musikalischen Lernprozess zu ermöglichen heisst, den günstigsten Augenblick dafür auszunützen. Wenn ein Mensch sich musikalisch ausdrücken, rein singen, sich fliessend tänzerisch bewegen kann, dann hängt das nicht nur von seiner Begabung ab. Eine anregende Umgebung in den ersten Lebensjahren, die Möglichkeit schon früh musikalische Erfahrungen zu sammeln, die Aufmunterung durch die Bezugspersonen, die eigene Motivation zur Musik sind alles Faktoren, welche die Entwicklung der Musikalität fördern.

Es ist nie zu früh, um Kinder mit der Musik ihrer Kultur vertraut zu machen. Kinder sollten noch vor dem Spracherwerb viel Musik hören, bevor diese Erfahrungen neben der Sprache als zweitrangig wahrgenommen werden.

Audiation
Durch Audiation* können wir Musik verstehen. Der Ausdruck Audiation stammt von Gordon und bezeichnet die Fähigkeit, akustisch nicht präsente Musik im Kopf zu hören. Machen wir noch einen Vergleich mit der Sprache. Während wir in einem Gespräch reden, behalten wir gleichzeitig die soeben gesagten Wörter. Dies ermöglicht uns, den Faden des Gespräches zu behalten und sogar die Fortsetzung vorweg zu denken. Dasselbe geschieht beim Hören oder Spielen eines Musikstückes oder beim Abrufen von bereits gehörter Musik. Wenn wir Musik hören und die folgende Wendung im Voraus erahnen, oder wenn wir Musiknoten lesen und die Musik innerlich hören, wenn wir singend oder mit dem Instrument improvisieren ist dies dank Audiation möglich.

Die Audiation kann man nicht unterrichten. Man kann jedoch die Kinder durch verschiedene Lernaktivitäten zur Audiation führen.

Wir bauen mit den Kindern einen musikalischen Dialog auf und geben die Anleitungen so, dass sie diese nicht mechanisch imitieren, automatisch „widerspiegeln“, sondern so, dass sie aus einem assimilierten musikalischen Inhalt antworten können. So helfen wir ihnen schrittweise, die Audiation zu entwickeln.

Das Ziel unserer Kurse ist es, jedem einzelnen Kind die Entwicklung von Audiation zu ermöglichen.

*Diesen Begriff verwenden wir in englischer Sprache, da es noch keine passende Übersetzung gibt

Die Audiation ist für die Musik, was der Gedanke für die Sprache. Bevor die Kinder ein Instrument lernen, sollten sie Audiation entwickeln, das eigentliche innere Instrument der Musik.

Impressionen aus miam-Konzerten

Aus pampam von Arnolfo Borsacchi

Kurz, komplex und abwechslungsreich
Wir wissen, dass die Aufmerksamkeit der kleinen Kinder sehr hoch sein kann, dass sie jedoch nur für eine kurze Zeit am gleichen Objekt festhält. Deshalb sind die Stücke in den miam-Konzerten kurz, abwechslungsreich und interessant.

Um die Aufmerksamkeit der Kinder wachzuhalten, wechseln sich unterschiedliche Modi, Taktarten, Stilrichtungen und Charaktere fortlaufend ab. So lernen sie informell den Reichtum der Musik mit seinen unendlichen Facetten kennen und entwickeln dabei ihre Audiation.

Kleine Kinder hören oft sehr gerne einfache Musik, wie zum Beispiel traditionelle Kinderlieder. Damit die Hörerfahrung das musikalisches Lernen fördert und die Entwicklung zügig und ergiebig voranschreiten kann, ist es jedoch wichtig, dass die Kinder von den ersten Lebensmonaten an auch mit komplexeren Musik in Kontakt kommen.